„NSU 2.0“: wer diesen Absender – offensichtlich auch noch stolz – nutzt, sollte sich auf der Fahndungsliste der Polizei ganz oben wissen. Nach jahrelangem bestenfalls naivem Verhalten vieler Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit den rechtsextremistischen Morden der NSU und weiterer rechtsextremistischer Straftaten haben doch inzwischen alle verantwortlichen Politiker*innen und Spitzenvertreter*innen der Behörden zumindest öffentlich behauptet: Der Rechtsterror ist die größte Bedrohung der öffentlichen Sicherheit in unserem Land. Sie haben recht. Und um so erschütternder ist es, dass nicht nur keine Erfolge bei der Fahndung nach den Personen erzielt werden, die sich als „NSU 2.0“ bezeichnen, sondern dass auch immer wieder Fälle öffentlich werden, die nahelegen, dass solche Personen auch Zugriff zu Polizeicomputern haben.
Für die Polizei gilt natürlich zunächst das Gleiche, was für alle anderen großen Organisationen auch gilt: Es gibt immer alle möglichen Arten von Menschen in einer Gruppe. Menschen verändern sich auch – manche zum Schlechten, manche zum Guten. Wenn jemand bei seinem Eintritt in den Polizeidienst vielleicht noch ein konservativer Demokrat war, so muss er das leider nicht bleiben. Aber gerade deshalb muss doch für die Polizei auf allen Ebenen und für die für die Sicherheit verantwortlichen Politiker*innen gelten: Wenn es Hinweise auf rassistische, rechtsextreme oder gar neonazistische Neigungen gibt, wird diesen nachgegangen. Intensiv, direkt, und im Zweifel auch mit klaren Sanktionen.
Denn wir als Gesellschaft werden nur dann gut miteinander auskommen können, wenn die Regelhüter*innen die Regeln hüten und sich selber an die Regeln halten. Die Polizei kann ihre Arbeit nur machen, wenn ihr zumindest im allgemeinen vertraut wird. Wer sich nicht an die Regeln hält – und die erste aller Regeln ist: Die Würde des Menschen ist unantastbar – kann nicht Regelhüter*in sein. Wer sich nicht aktiv darum kümmert, dass sich die Regelhüter*innen an die Regeln halten, kann nicht Regelhüter*innen befehligen oder beaufsichtigen. Die Sicherheitsbehörden sind viel zu zentral, um zuzulassen, dass sie unterwandert werden.
Das sollte die Leitlinie aller Demokrat*innen sein. Und in den aktuellen und in allen zukünftigen Auseinandersetzungen sollte es nicht um parteipolitische Geplänkel oder um whataboutism gehen. Dazu ist die Lage zu ernst. Das schließt übrigens natürlich ein, dass Menschen die den Ernst der Lage nicht erkannt haben und sich auch entsprechend verhalten, nicht in verantwortungsvollen Positionen sein sollten. Den oder die Nachfolger*in des ehemaligen hessischen Landespolizeipräsidenten erwartet eine schwierige Situation. Ich hoffe, er oder sie hat den Wunsch sich ihr zu stellen und wird auch vom Innenminister dabei tatkräftig unterstützt. Es geht am Ende nicht in erster Linie darum, ob und wann ein Minister informiert wird, sondern darum, die Vorwürfe aufzuklären, das Vertrauen der Menschen – auch und gerade der Betroffenen – wieder herzustellen und ähnliche Fälle wie die von Seda Basay-Yildiz, Janine Wissler, Idil Baydar und anscheinend noch „mehreren Menschen“ (so die Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft laut dem Hessischen Rundfunk) in Zukunft konsequent zu verhindern. Diesen Auftrag wird hoffentlich auch der Innenminister so erteilen.